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Foto: Schlütersche Fachmedien GmbH

Der Praktische Tierarzt

Lateralität – ein Indikator für das Tierwohl?

Laterality – an animal welfare indicator?

Der Praktische Tierarzt 103, 1246-1257

DOI: 10.2376/0032-681X-2249

Eingereicht: 14. März 2022

Akzeptiert: 1. August 2022

Publiziert: 12/2022

Zusammenfassung

Ein gutes Tierwohl definiert sich nicht nur durch die Abwesenheit von Stressindikatoren, sondern auch durch das Vorhandensein von Indikatoren, die auf ein gutes Wohlergehen hinweisen. So können stressbedingte Erkrankungen vermieden werden. Zur Bestimmung des Tierwohls bei Pferden wurde daher untersucht, inwieweit sich die sensorische Lateralität (einseitiger Gebrauch von Sinnesorganen) und die motorische Lateralität (einseitiger Gebrauch von Gliedmaßen) als einfach, schnell und kostengünstig zu erhebende Parameter eignen. Hierzu werden neben aktueller Literatur auch die eigenen Untersuchungsergebnisse zusammenfassend dargestellt. Die nach außen sichtbar werdende sensorische und motorische Lateralität sind das Resultat der cerebralen Lateralisierung. Dies beinhaltet nicht nur die Aufgabenteilung beider Gehirnhälften für ein effizienteres Aufnehmen und Speichern von Informationen, sondern sie steht auch in Verbindung mit der Entstehung und Verarbeitung von Emotionen, die maßgeblich am Wohlergehen eines Lebewesens beteiligt sind. Kurzzeitige Stressoren führen zu einer Erregung, die je nach Erfahrungen mit positiven oder negativen Emotionen in Verbindung steht. Emotionen helfen dem Organismus dabei, zu überleben. Andauernde negative Emotionen durch regelmäßige oder anhaltende negative Ereignisse führen zu Stress und reduzieren die Erwartung positiver Ereignisse (negativer cognitive Bias). Das Tier ist im Wohlergehen beeinträchtigt. Jüngst zeigte insbesondere die Messung der motorischen Lateralität Potenzial als Indikator für lang anhaltenden und chronischen Stress, denn gestresste Pferde, deren Stresshormonlevel stark ansteigt, zeigen einen zunehmenden Gebrauch der linken Gliedmaßen über einen längeren Zeitraum. Weiterhin zeigen erste Messungen einen Zusammenhang zwischen einer linksseitigen motorischen Lateralität und einer reduzierten Erwartung positiver Ereignisse (negativer cognitive Bias). Zusammen mit der sensorischen Lateralität, die in einer akuten Stressphase ebenso eine Linksverschiebung zeigt und somit als Indikator für Kurzzeitstress gilt, kann eine generelle, vermehrte Linksseitigkeit auch einen Hinweis auf erhöhte Emotionalität und Stressanfälligkeit sein. Eine sich steigernde Linksseitigkeit bedeutet eine präferierte Informationsverarbeitung durch die rechte Gehirnhälfte, die beispielsweise reaktives Verhalten, starke Emotionen und Stressantworten steuert. Es stellte sich jedoch heraus, dass wie bei allen Stressindikatoren auch in der Lateralitätsmessung ein Vergleichswert aus einer vorangegangenen Messung notwendig ist, denn nur Veränderungen zum häufiger werdenden Gebrauch der linken Seite können auf Stress bei Pferden hindeuten und die parallele Erhebung weiterer Parameter, wie zum Beispiel das Verhalten oder Stresshormone, können die Aussage der Lateralität bekräftigen.

Sensorische Lateralität
motorische Lateralität
stress
cognitive bias

Summary

Good animal welfare is not only defined by the absence of stress indicators, but also by the presence of parameter indicating a good welfare. This prevents stress-related disorders. To determine animal welfare in horses it was evaluated whether sensory laterality (biased use of sensory organs) and motor laterality (biased use of forelimbs) are less time consuming, simple, and quickly determinable parameters of horse welfare. For this purpose, we summarize latest literature and our research results. The observable sensory and motor laterality are cause by the cerebral lateralization. This includes not only a division of tasks resulting in a more efficient intake and storage of information, but it also associated with the formation and processing of emotions, which are substantially involved in animal welfare. Short term stressors result in arousal, that is connected to positive or negative emotions, depending on individual experiences. Thereby the different emotions help the organism to survive. Long-term negative emotions as a result of repeated or long-lasting negative events cause stress and reduce the expectation of positive events (negative cognitive bias). The animal welfare is affected. Recent studies have shown that the measurement of motor laterality can be used as parameter of long-term or chronic stress, because stressed horses with increased stress hormone levels, used their left forelimbs more often over a longer period. Furthermore, a correlation between left-sided motor laterality and a reduced expectation of positive events (negative cognitive bias) could be demonstrated. Increased left sensory organ use during acute stress situations allow sensory laterality to be used as an indicator of short-term stress. In addition, increased left-sidedness in sensory laterality can also indicate enhanced emotionality and susceptibility to stress. A change to use the left sensory organs and forelimbs more often indicates an increased information processing by the right hemisphere, which is responsible for reactive behavior, strong emotions, and stress responses among other things. All together comparable with other stress parameter when using laterality an individual reference value from the past is necessary, because only a left shift in laterality (increased use of the left side) is indicative of stress responses in horses and the evaluation of other stress parameters like behavior or stress hormones at the same time can increase the validity.

sensory laterality
motor laterality
Stress
Leptospira interrogans

 

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